Attika ja oder nein?

Juma

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07. Mai 2020
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Guten Abend liebe Community 

Mein Partner und ich überlegen uns, eine Wohnung zu kaufen. Ich bin eher für eine EG- Wohnung mit schönem Garten und mein Partner zieht die Attika vor. Tja- Gegensätzlicher könnte es nicht sein! Meine Befürchtungen mit einer Attika ist die Hitze im Sommer. Ich bin absolut kein Hitzefan und befürchte dass so eine Wohnung sich im Sommer extrem aufheizt. Z.B. meine Schwester lebt in einer Dachmaisonette (Baujahr 2016) mit schönen Erkern und Giebeln, aber ohne Klimagerät ist an Schlaf nicht zu denken. Ein Freund von uns lebt in einer Attika, Baujahr 2000, Flachdach mit Naturbegrünung und die Wohnung bleibt erstaunlich kühl. Was sind eure Erfahrungen? Gibt es jemand der in einer Attikawohnung lebt und im Sommer nicht unter 40 Grad Hitze leiden muss? Was denkt ihr macht es aus, dass eure Wohnung eher kühl bleibt? Vorab herzlichen Dank für eure Mitteilungen. Liebe Grüsse, Judith :)

 
Liebe Judith

Da Hitze steigt, ist es in einem Haus natürlich ohne Massnahmen im obersten Stockwerk eher wärmer als in den unteren Stockwerken. Heute ist das Problem aber in weiten Kreisen der Architekten und Ingenieure erkannt. Und eben, es hat schon im Jahr 2000 Architekten gegeben, welche dies gekannt haben und solche die 2016 immer noch bauten, wie anno domini. Aber, das begrünte Flachdach ist gegenüber dem normal eingedeckten Steildach ungeheuer im Vorteil. Das muss man fairerweise auch eingestehen. Begrünte Steildächer, wie hier untenstehend eines in Kopenhagen kennen wir hier in der Schweiz fast gar nicht.

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Es gibt einige grundsätzliche bauliche Punkte, welche zu beachten sind.

1. Beschattung der besonnten Flächen, insbesonders der Fenster. Dabei ist ein aussenliegender Sonnenschutz ein Muss, auch bei qualitativ guten Fenstern.

2. Bei besonnten Flächen eher helle Farben wählen. Je heller die Farben sind, desto grösser ist die Reflexion der sommerlichen Hitze.

3. Dachbegrünung. Der Wert einer Dachbegrünung zeigt sich im Sommer. Durch die Pflanzen wird Feuchtigkeit verdunstet. Diese Verdunstung transportiert die Wärme weg vom Haus. Beispiel: Am angenehmsten ist es im Sommer im Freien unter einer begrünten Pergola oder einem grossen Baum. Der beste Sonnenschirm kann nie das gleiche an Behaglichkeit erbringen.

4. Heute empfehle ich meinen Bauherren unbedingt das Freecooling. Kühlen des Bodens (Bodenheizung) mithilfe der Erdsonde. Anstatt wie im Winter Wärme dem Erdboden entziehen, geben wir im Sommer damit Wärme über die Erdsonde ab. Dies bringt eine Reduktion von 3-4°C gegenüber dem "Normalfall".

Aber letztlich ist es auch wichtig, dass sich der Benutzer richtig verhält. Also tagsüber bei der grössten Hitze die Öffnungen in der Gebäudehülle geschlossen halten.  Und erst lüften und damit Wärme abtransportieren, wenn es drausser kühler als drinnen ist.

Also baulich kann man einiges mithelfen, dass das Haus nicht nur im Winter wohlig warm ist, sondern auch dass es im Sommer angenehm kühl bleibt.

Ich wünsche uns einen schönen Sommer.

Herzlicher Gruss

Urs Tischhauser

 
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Begrünung ist im Moment sicher das Optimum, aber nicht alle Bauämter sehen dies so, und der Geldbeutel leider auch nicht. Wichtig ist bei einem "normalen Dach", dass auch eine geeignete Dämmung verwendet wird.

So schützt ein  Dämmstoff aus z.b Holzfaser wesentlich effizienter gegen sie solare Einstrahlung als dies z.B eine Mineralfaser (Glasfaser oder Steinwolle) macht, und dies bei gleichen Dämmeigenschaften. So hat eine Glaswolle 100mm WLG40 eine Phasenverschiebung von rund 39 min, eine Holzfaserdämmung 100m WLG 40 von rund 6.8 Stunden!! Flachdach begrünt (konventionelle Aufbau, U-Wert 0.14), rund 14 Stunden

Die Phasenverschiebung ist die Zeit, bis das Hitzemaximum die Innenseite des Bauteils erreicht. Je stärker die Holzfaserdämmung, um so höher die Phasenverschiebung.

Gruss Pit

 
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Liebe Judith

Da Hitze steigt, ist es in einem Haus natürlich ohne Massnahmen im obersten Stockwerk eher wärmer als in den unteren Stockwerken. Heute ist das Problem aber in weiten Kreisen der Architekten und Ingenieure erkannt. Und eben, es hat schon im Jahr 2000 Architekten gegeben, welche dies gekannt haben und solche die 2016 immer noch bauten, wie anno domini. Aber, das begrünte Flachdach ist gegenüber dem normal eingedeckten Steildach ungeheuer im Vorteil. Das muss man fairerweise auch eingestehen. Begrünte Steildächer, wie hier untenstehend eines in Kopenhagen kennen wir hier in der Schweiz fast gar nicht.

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Es gibt einige grundsätzliche bauliche Punkte, welche zu beachten sind.

1. Beschattung der besonnten Flächen, insbesonders der Fenster. Dabei ist ein aussenliegender Sonnenschutz ein Muss, auch bei qualitativ guten Fenstern.

2. Bei besonnten Flächen eher helle Farben wählen. Je heller die Farben sind, desto grösser ist die Reflexion der sommerlichen Hitze.

3. Dachbegrünung. Der Wert einer Dachbegrünung zeigt sich im Sommer. Durch die Pflanzen wird Feuchtigkeit verdunstet. Diese Verdunstung transportiert die Wärme weg vom Haus. Beispiel: Am angenehmsten ist es im Sommer im Freien unter einer begrünten Pergola oder einem grossen Baum. Der beste Sonnenschirm kann nie das gleiche an Behaglichkeit erbringen.

4. Heute empfehle ich meinen Bauherren unbedingt das Freecooling. Kühlen des Bodens (Bodenheizung) mithilfe der Erdsonde. Anstatt wie im Winter Wärme dem Erdboden entziehen, geben wir im Sommer damit Wärme über die Erdsonde ab. Dies bringt eine Reduktion von 3-4°C gegenüber dem "Normalfall".

Aber letztlich ist es auch wichtig, dass sich der Benutzer richtig verhält. Also tagsüber bei der grössten Hitze die Öffnungen in der Gebäudehülle geschlossen halten.  Und erst lüften und damit Wärme abtransportieren, wenn es drausser kühler als drinnen ist.

Also baulich kann man einiges mithelfen, dass das Haus nicht nur im Winter wohlig warm ist, sondern auch dass es im Sommer angenehm kühl bleibt.

Ich wünsche uns einen schönen Sommer.

Herzlicher Gruss

Urs Tischhauser
Lieber Urs

Herzlichen Dank für diese ausführliche und hilfreiche Antwort! Ich werde die sehr gerne in unsere Entscheidungsfindung einfliessen lassen!

 
Begrünung ist im Moment sicher das Optimum, aber nicht alle Bauämter sehen dies so, und der Geldbeutel leider auch nicht. Wichtig ist bei einem "normalen Dach", dass auch eine geeignete Dämmung verwendet wird.

So schützt ein  Dämmstoff aus z.b Holzfaser wesentlich effizienter gegen sie solare Einstrahlung als dies z.B eine Mineralfaser (Glasfaser oder Steinwolle) macht, und dies bei gleichen Dämmeigenschaften. So hat eine Glaswolle 100mm WLG40 eine Phasenverschiebung von rund 39 min, eine Holzfaserdämmung 100m WLG 40 von rund 6.8 Stunden!! Flachdach begrünt (konventionelle Aufbau, U-Wert 0.14), rund 14 Stunden

Die Phasenverschiebung ist die Zeit, bis das Hitzemaximum die Innenseite des Bauteils erreicht. Je stärker die Holzfaserdämmung, um so höher die Phasenverschiebung.

Gruss Pit
Lieber Pit

Vielen lieben Dank für diese hilfreiche Antwort. Als Nicht-Fachfrau habe ich von Phasenverschiebung noch nie etwas gehört. Sehr spannend und enorm gut zu wissen! 

 
Hallo Judith

Man kann natürlich auch Materialien mischen. Bei uns, Dachaufbau von oben:

Ziegel mit Lattung

Holzfaserplatte 100mm Gutex Ultratherm

Zwischensparren Mineralwolle 200mm Saglan 0.32

Dampfbremse

Lattung

Täfer

U-Wert 0.14, Phasenverschiebung  ~14 Stunden

Nicht erschrecken, wenn du es nach den vorherigen Infos nicht nachvollziehen kannst, es stimmt aber so, zu Mindest rechnerisch. Kurz, da die Holzfaser die meiste Energie bereits aufhält, muss die Mineralwolle wesentlich weniger Energie absorbieren. Dies so ganz grob.

Gruss Pir

 
Also, dann kann ich mal aus eigener Erfahrung berichten, ich hasse Hitze. Vieles ist abhängig wie das Haus gebaut wurde, aber genau so wichtig ist natürlich das Nutzerverhalten. D.h. überall Aussenrollläden zwingend, die müssen dann auch bei der geringsten Sonneneinstrahlung unten sein, weil sonst heizt sich das Haus schnell auf. Und durch die sehr gute Dämmung bleibt dann eben die Wärme auch drin. Also z.B. an Nachmittag lüften bei 30 Grad ist nicht ideal.  Hast Du z.B. das Schlafzimmer nordseitig ausgelegt, kannst Du vormittags relativ lange lüften. Ist das Schlafzimmer ostwärts ausgerichtet, donnert Dir die Sonne schon morgens um 6 Uhr voll ran.

Eigene Erfahrung:

Neubau 2014, kein Minergiestandard, viel Glasfläche, rest Betonwände, wir hatten die DG Wohnung bewohnt, Decke Beton, darüber dann Dämmung + Kies. Schlafzimmer Richtung Osten. Keine Komfortlüftung. Versucht möglichst konsequent zu verschatten. Max. waren mal 28 Grad, die halt dann aber relativ lange geblieben sind, da auch wegen Nähe zur Bahnlinie das Fenster nachts nicht voll geöffnet werden könnte. Wohnklima recht unangenehm, da sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Und der Drecksbeton speichert die Wärme brutal über mehrere Tage.

Jetzt bewohnen wir ein Haus von 1946. Wir haben dann den Estrich ausgebaut (Satteldach) und haben da unser Schlafzimmer eingerichtet. U-Wert nach Dämmung 0.19. Haben nur die Gutexprodukte verwendet zum Dämmen (Aufsparren und Zwischensparrendämmung). Dadurch erreicht man eben, wie bereits erwähnt, eine lange Phasenverschiebung. Was hier dann eben aber auch zu bedenken ist, dass sich der Innenraum dann nachts weiter aufwärmt, auch wenns draussen kühler wird.  Morgens immer sauber Durchzug machen. So haben wir es auch im letzten Hitzesommer geschafft unter 26 Grad zu bleiben.  Mir ist das eben aber noch zu warm, drum hab ich jetzt eine mobiles Klimagerät angeschafft (Kernbohrung wurde bei der Reno bereits vorbereitet), die Dinger sind aber sehr laut, gleichzeitig schlafen ist unmöglich.

Vorteil Attika, hast eben niemanden über dir, also ruhig. Im Hochsommer kann man sich dann auch nicht auf der Terrasse aufhalten ohne verglüht zu werden. 

 
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Liebe Judith

Attika- oder Erdgeschosswohnung ist scheinbar beinahe eine Religionsfrage. Jeder soll das glauben, was ihm hilft durchs Leben zu kommen. Aber es gibt "auf dem Bau" natürlich immer schlechte Beispiele und innovative und gute Lösungen.

Vorteil Attika, hast eben niemanden über dir, also ruhig. Im Hochsommer kann man sich dann auch nicht auf der Terrasse aufhalten ohne verglüht zu werden. 
Attika ist für viele gleichbedeutend mit (zu dunklem) Plattenbelag rund um die zurückversetzte Attikawohnung. Dass Du damit einfach nur einen "Warmluftofen" baust, haben eben immer noch viele nicht begriffen. Mit entsprechender Beschattung und vor allem richtiger Begrünung ist es auch auf dem Dach gut auszuhalten. Meistens weht dort ja auch immer ein leichtes Lüftchen, was wiederum angenehm ist. Es lohnt sich bei einer Attikawohnung wirklich etwas Geld in die Gartengestaltung und den Anforderungen entsprechende Pflanzen zu investieren.

Schönen Montag und guten Start in die Woche, Urs

 
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Liebe @Juma

Untenstehend noch eine Foto, welche ich heute leider ohne Sonne gemacht habe. Von meinem ersten extensiv begrünten Flachdach als selbständiger Architekt. Ausgeführt im Jahr 1989 durch einen lokalen Unterenhmer mit Sarnafil (!) auf einem Werk- und Bürogebäude in Männedorf. Dieses ist selbstverständlich auch dank der Begrünung nach 31 Jahren immer noch dicht! (Nur wegen der Mär: "es gibt Flachdächer welche rinnen und solche welche noch nicht rinnen!")

Wenn das Flachdach einen solchen, wasserverdunstenden "grünen Pelz" aufweist, dann hast es Du darunter auch im Sommer angenehm kühl. Die Temperatur auf der Dachhaut gemessen wird nie mehr als 30°C. Bei einem bekiesten Flachdach sind dies dann gut und gerne 90°C! Da kannst Du probkemlos Spiegeleier darauf braten....... Diese Wärme dringt auch bei guter Wärmedämmung nach und nach auch ins Gebäude ein und heizt es so auf. Die von @pitw angesprochene Phasenverschiebung sollte im Minimum 12 Std. betragen. Dies kann berechnet werden.

IMG_20200513_122003.jpg

Auch für das Mikroklima ist die Dachbegrünung ein grosser Vorteil. Man weiss aufgrund von Computermodellen, dass die sommerlichen Temperaturen in Städten um 3-4° tiefer wären, wenn unsere Städte ihre Dächer begrünen würden. Das wäre natürlich ein viel angenehmeres Klima in den überhitzten Städten im Hochsommer.

Luftreinigung, Wasserretention und Nistplatz für bodenbrütende Vögel werden als positive Nebeneffekte ebenfalls angeführt. Zugegebenermassen bin ich deshalb ein absoluter Befürworter von begrünten Flachdächern. Und, keine Gemeinde sollte deswegen Probleme machen. Das würde mich sonst noch interessieren. Bei uns verlangen heute sogar viele Gemeinden zwingend, dass Flachdächer von Neubauten begrünt werden müssen.

Gruss, Urs

 
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Wenn man eine Wohnung kaufen möchte, wird man aber in der Regel sehr wenig mitreden können bei deren Dämmung. Wenn jetzt noch in der Bauphase, dann könnte man schon einiges auswählen, aber alles ist da dann ja auch nicht machbar.

Ich Persönlich würde die Höhe wählen weil ich es nicht brauche, dass am Boden mich jeder sieht. Da setze ich dann besser Maßnahmen, dass mir nicht heiß wird im Sommer. Ja, es ist wärmer aber mit der Zeit oder wenn man sich informiert ist das auch händelbar.

 

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