Baukostenüberschreitung von über 20% - Wie sieht die Rechtslage aus???

zabel98

Mitglied
15. Okt. 2009
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Hallo,

Wir stehen kurz vor dem Einzug und sind heute zum zweiten mal mit einer massiven Baukostenüberschreitung konfrontiert worden. Unser Projekt sollte ursprünglich (ohne Land) CHF 735/- nicht überschreiten. Spätestens als wir die Baumeisterofferte im Haus hatten wurden wir (Architekt + Bauherrschaft) mit Kosten von ca. CHF 910/- konfrontiert. Obwohl der Architekt während der ganzen Planung beteuert hat, dass wir im Rahmen der CHF 735/- planen, sind die Kosten explodiert. Das ist vor allem auf die mangelnde Erfahrung des noch jungen Architekten zurückzuführen. Er hat das Bauen am Hang völlig unterschätzt. Mit zähen Verhandlungen zw. Architekt und Unternehmer plus ein paar Abstrichen unsererseits, sind die Kosten bis letzte Woche auf ca. CHF 854/- gesunken. Heute jedoch, 10 Tage vor Einzug, werden wir mit Mehrkosten von nochmals über CHF 30/- konfrontiert, die der Architekt schlichtweg vergessen hat. Somit stehen wir momentan bei CHF 884/-. Was knapp über 20% Mehrkosten sind./emoticons/default_additional/202.gif Der Architekt hat uns immer wieder Anpassungen des Kostenvoranschlags zu gesendet. Wie sieht die rechtliche Lage in so einem Fall aus??? Ich habe gelesen, dass der Kostenvoranschlag +/- 10% abweichen darf. Was passiert aber wenn dieser Wert überschritten wird? Kann ich den Betrag der überschritten wurde vom Architekten einfordern? Was für Beweise sind nötig um vor Gericht Erfolg zu haben?

Besten Dank für eine schnelle Antwort.

Remo

 
hallo,

zuerst alles und genau aufdröseln:

- Zusatzkosten wegen unvorhersehbaren Schwierigkeiten, z.B. beim Baugrund

- Zusatzkosten wegen nachträglichen Bauherrenwünschen (bessere Qualität, Änderungen usw.)

- Zusatzkosten wegen unvollständiger Offerten

- Zusatzkosten wegen zu ungenauen Aufmassarbeiten

- Zusatzkosten wegen zu optimistischer Terminplanung

- Zusatzkosten wegen Zusatzarbeiten, die ein Unternehmer verschuldet hat, die aber dem Bauherrn angehängt werden

- Zusatzkosten wegen Preissteigerungen seit Offertstellung, falls diese vorbehalten sind

- Zusatzkosten wegen Dingen, die gewöhnlich nicht zum Leistungsumfang des Architekten gehören (Erschliessungskosten usw.) und die daher nicht er zu verantworten hat.

Es stimmt sicher, dass ein erfahrener Architekt besser abschätzen kann, was auch noch kommen wird, aber auch der Bauherr ist in der Pflicht - wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch.

Ich kann das Buch "Die häufigsten Bauherrenfallen" von H. Röthlisberger, HEV Schweiz, empfehlen.

 
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Salut Remo

Wenn es Kostenüberschreitungen gibt, die nicht erklärt werden können und der Architekt das hätte erkennen müssen (das ist jetzt alles sehr abgekürzt) so gibt es eine interessante Rechtsprechung des Bundesgerichts, die besagt, dass man die Mehrkosten beim Architekt als Schaden geltend machen kann (obwohl man ja für die Kosten eine Gegenleistung erhalten hat).

Viel Glück

 
Besten Dank für die bisherigen Antworten. Tatsache ist, dass die momentanen Kosten etwa 20% über der kubischen Berechnung liegen, welche bis zum Zeitpunkt der Baueingabe unsere einzige Richtgrösse war. Etwa gleichzeitig wie die Bauingabe erhielten wir den ersten Kostenvoranschlag, der noch höher war als die effektiven Kosten jetzt. Dieser Kostenvoranschlag hat nicht nur uns als Bauherrschaft sondern auch den Architekten extrem überrascht. Vor allem die Baumeisterofferten und die Aushubofferten waren enorm viel höher als vom Architekten geschätzt. Dies ist auf die mangelnde Erfahrung des Architekten im Umgang mit Bauen am Hang zu erklären. Er hat mit lediglich 10% höheren Kosten gerechnet für obige Offerten als für Bauen in ebenem Gelände. Die Offerten konnten dann durch Rabatte noch ein bisschen reduziert werden. Das war letzten Frühling und wir hatten uns mit der Situation schon abgefunden. Wir bekamen dann vom Architekten regelmässig aktualisierte Kostenrechnungen/Schätzungen, welche sich bei etwa 1.14 Mio einpendelten (Kubisch Berechnung 1.025 Mio , inkl Landpreis von CHF 290/-). Letzte Woche jedoch, 2 Wochen vor Einzug, wurden wir mit Mehrkosten von CHF 40/- überrascht, welche noch nicht in dieser Kostenaufstellung waren. Unter anderem die Kosten für die Bauhinterfüllung, welche der Architekt schlichtweg vergessen hatte. Alleine diese Kosten sind mit etwa CHF 20/- zu beziffern. Könnte ich zumindest diese CHF 20/- beim Architekten einfordern?? Danke im voraus für Eure Antworten.

Remo

 
Das sind Sowieso-Kosten. Die hätte man durch bessere Planung nicht vermeiden können und die kannst Du dehalb nicht einfach zu 100% deinem Gehilfen (juristisch ist der Architekt ein solcher) überwälzen, bloss weil er sie vergessen hat.

Abgesehen davon denke ich, dass 40'000 Fehler bei einer Bausumme von 1.1 Mio schon gar nicht so schlecht sind.

Kubische Berechnungen geben halt nur grobe Anhaltspunkte, je nach Grösse und Ausstattung wirds dann anders. Das erschliesst sich schon daraus, dass Fixinstallationen wie eine Haustüre weder teurer noch billiger werden, wenn man die Kubatur ändert, und daran, dass sich das Volumen eines Würfels mit der dritten Potenz seiner Kantenlänge, die Oberfläche aber nur mit der zweiten Potenz vergrössert.

Also kubisch 1.03 Mio, + 10% Geländezuschlag wohl nur für Aushub, Tiefbau, Leitungen und Hangsicherung, da bist Du doch mit 1.14 Mio über alles gar nicht so sehr daneben.

 
@emil17

Besten Dank für die Antwort. Mir ist selbstverständlich bewusst, dass diese Kosten sowieso angefallen wären und das das Haus auch soviel wert ist. Wenn man jedoch in der Projektphase dem Architekten ganz deutlich sagt, dass das Budget von CHf 1.025 Mio nicht überschritten werden darf (Uebrigens war da das Land von CHF 290/- schon von uns bezahlt). Er hat uns immer beteuert, dass er die Kosten im Griff hat und wir nicht mit Mehrkosten rechnen müssen. Wenn man dann bei der Baueingabe mit einem Kostenvoranschlag von über 1.2 Mio konfrontiert wird, welcher das ganze Projekt in Frage stellt, dann kann das doch sehr ärgerlich sein. Ich kann ja auch niemandem einen Ferrari für 50/- schmackhaft machen und dann für 70/- verkaufen. Nein Spass beiseite, damals stand das Projekt nach über 8 Monaten intensiver Planung wirklich auf der Kippe und konnte nur dank unserer verbesserter finanziellen Situation weitergeführt werden. Hätten wir diese Möglichkeit nicht gehabt, tja dann wäre das Projekt gestorben und ich bin sicher vielen Leuten wäre es so ergangen.

Nun aber zurück zu den CHF 40 Mehrkosten, die vor einer Woche und dich betone 2 Wochen vor Einzug, auf einmal auf uns zukommen, zusätzlich zu den bereits erwähnten Mehrkosten. Das hat das Fass nun wirklich zum überlaufen gebracht. Es heisst doch, dass je näher der Einzugstermin rückt, desto genauer sollte die Baukostenschätzung sein. Ich muss nun zum 3. Mal die Bank um Geld bitten und komme auch langsam an meine finanziellen Grenzen. Die Vorfreude auf den Einzug hat sich merklich reduziert. Zudem gibt der Architekt ja zu, dass alles sein Fehler war. Nur nützt mir das anscheinend nichts. Seine Fehler müssen nun wir bezahlen und das nicht zu knapp.

 
Vor Baubeginn erhält man vom Architekten einen Kostenvoranschlag nach den einzelnen BKP 1 - 5 mit einer Kostengenauigkeit von +/- 10%. Werden diese Kosten unbegründet überschritten, wobei unter begründet kostenrelevante Änderungswünsche des Bauherrn zu verstehen sind, ist der Architekt einerseits seinen Pflichten nicht nachgekommen und muss mit einer Honorarkürzung rechnen, andererseits kann er aufgrund eventuell schwierig sich abzeichnender Finanzierung mit Schadenersatz rechnen, egal ob der Bauherr seine Gegenleistung hat oder nicht.

Aufgrund des KV wird ja entschieden, ob das Projekt realisiert und wie es finanziert wird.

bud /emoticons/default_smile.png

Während der Bauphase werden vom Architekten auch regelmässig Kostenprognosen erstellt, die der Kostenwahrheit am nächsten sein sollten. Ob dies zutrifft, steht in den Sternen, auf jeden Fall sind sie mit Vorsicht zu geniessen, nicht zuletzt wegen den noch ausstehenden Rechnungen für die Anschlussgebühren, die im KV auch nicht zwingend richtig erfasst sein müssen.

 
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Geschätzter Remo

Eine Toleranzgrenze +- 10 % beim KV gibt es nicht automatisch, nur weil diese in der SIA 102 aufgeführt ist. Gemäss geltender Rechtssprechung des obersten Bundesgerichtes muss diese Toleranz auf dem KV explitzit ausgewiesen werden. Es gelten sogar so strenge Regeln, dass vermerkt werden muss,

dass diese Toleranz über den ganzen KV gerechnet ist. (dies ist allerdings noch nicht abschliessend vom obersten Bundesgericht entschieden) Fehlt all dies, so gilt: Der Architekt hat mit dem KV ohne expilizite Angabe einer Toleranzgrenze eine Festpreisgarantie abgegeben. Dafür haftet er.

Nicht haften tut er natürlich für Bestellungsänderungen der Bauherrschaft. Es wäre also zu prüfen inwiefern Bestellungsänderungen vorliegen und welche finanziellen Auswirkungen diese haben. Der Architekt rapportiert die Kostenentwicklung in regelmässigen Abständen gegenüber der Bauherrschaft. Bis zur Vorlage der definitiven Schlussabrechnung können sich diese Rapporte immer wieder verändern, je nachdem wann die verschiedenen Unternehmer Ihre

Rechnungen eingeben. Eine Kostenprognose bassiert im Regelfall auf vorhandenen Rechnungen/Zahlungen und wird durch das Programm automatisch erstellt.

Sofern keine Rechnungen vorhanden sind, verwendet das Programm die Vertragssummen. Fehlen auch solche werden die KV Zahlen eingesetzt.

 

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