Rechnung 100% teurer als Schätzung

swissli

Mitglied
21. Okt. 2008
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Hallo zusammen

Wir renovieren zurzeit unser neues Eigenheim und mussten relativ kurzfristig einen zusätzlichen Gipser hinzuziehen (Bauleitung erfolgte über den Architekten). Für die Ausbesserung und Verputz der Innenwände hatten wir eine schriftliche Schätzung von 6000 bis 9000 CHF erhalten. Ich hatte den Architekten extra noch um eine Offerte gebeten (ebenfalls schriftlich!), leider ohne Erfolg.

Nun ist eine Rechnung über 16000 CHF eingetroffen /emoticons/default_eek.png! Wisst Ihr, ob die Schätzung ebenfalls als Offerte gilt, oder muss in diesem Fall der tatsächliche Aufwand getragen werden? Wir hatten leider keinen Pauschalpreis vereinbart, aber doch von maximal 9000 CHF gesprochen.

Vielen Dank für jegliches Feedback!

Swissli

 
aber doch von maximal 9000 CHF gesprochen.
Hallo Swissli,

Hast du das schriftlich? im normal Fall maximal hört sich als maximal!

Im Gipser Fall hört sich max. CHF 9'000 (+/- 80% Preisänderung vorbehalten)

Ibo

 
Naja, das ist wohl doch ein bisschen Interpretationssache. Der Originalwortlaut ist

(...) Die Schätzung bewegt sich zwischen Fr. 6?000.?bis 9?000.--.

Wenn wir Glück haben ist die Vorbereitung (schleifen etc.) weniger aufwendig. (...)

Klingt doch schon ein bisschen nach "maximal", oder? /emoticons/default_confused.png

LG

Swissli

 
Hallo Swissli,

Ich gehe mal davon aus, dass die SIA Norm 118 in der schriftlichen Offerte (Schätzung) des Unternehmers nicht für anwendbar erklärt worden sind. Die Abgabe der Schätzung beurteile ich als Offerte zum Vertragsschluss, welche Du angenommen hast. Es handelt sich rechtlich gesehen um einen Werkvertrag (Art. 363ff. OR), welcher auch mündlich oder konkludent abgeschlossen werden kann. Betreffend Vergütung kommt nach Deiner Schilderung des Sachverhalts wohl Art. 374 OR zur Anwendung, da der Preis nicht "fest" vereinbart wurde. Bei Art. 374 OR sind wiederum zwei Unterfälle zu unterscheiden: (i) Der Preis wurde überhaupt nicht bestimmt oder (ii) der Preis wurde "ungefähr" bestimmt. Wenn der Unternehmer eine Schätzung abgibt, liegt m.E. letzteres vor. Die Angabe eines Preisbandes (unterer und oberer Grenzwert) wird in der Lehre als "Circa Preis" bezeichnet (dazu: Peter Gauch, Der Werkvertrag, 4. Auflage, Rz. 941 (S. 265)). Ein solcher Circa-Preis ist für die Parteien verbindlich. Gauch schreibt dazu: "Der Besteller schuldet nicht mehr und nicht weniger als die Vergütung innerhalb der ermittelten Grenzen, selbst wenn der Wert der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmens grösser oder geringer ist". Somit hast Du nach meiner Beurteilung ziemlich gute Argumente, dass Du nicht bereit bist, mehr als CHF 9'000 zu bezahlen.

Ich hoffe, das hilft Dir weiter.

Gruss,

mischa01

 
Ich denke, das minimum, was ihr erwarten könnt, ist eine stichhaltige Begründung, weshalb das nun soviel teurer sein soll.

 
Das ist schon eigenartig und Frechheit, das betrieft auch euren Architekt (das ist eventuell ein Pflichtverletzung).

Grundsätzlich der Unternehmer muss hinweisen, wenn das vereinbarte Kostendach nicht eingehalten werden kann. Wenn das ein Regiearbeit wäre, dann muss Architekt als Bauleiter darüber informiert sein oder?

Ibo

 
Vielen Dank für Eure super Antworten! Mich ärgert es eben auch, dass er erst mehr als 2 Wochen nach Abschluss der Arbeiten mit dieser Rechnung kommt. Ich hätte erwartet, dass er es schon während seines Einsatzes merkt, wenn er den geschätzten Aufwand überschreitet. Von meiner Arbeit, in der ich oft mit externen Firmen zu tun habe, bin ich mir gewohnt, dass Zusatzaufwand, der über die ursprüngliche Vereinbarung hinausgeht, vorher deklariert werden muss und der Auftraggeber zustimmen muss.

Wahrscheinlich werde ich unsere rechtlichen Chancen noch mit der Rechtsberatung vom HEV klären. Wenn wir Chancen haben, werden wir uns einfach weigern, mehr als 9000 CHF zu bezahlen.

 
Hallo swissli

Mischa01 erklärt die Situation als absolut richtig. Ich möchte dazu noch ergänzen, dass der Architekt ganz klar SIA-Norm 118, Ziff. 33 Abs. 2 (Vollmachtsregelung) missbraucht hatte. Er ist in der Pflicht einen "geschätzten Preis" möglichst einzuhalten. Wenn er andere Anweisungen an den/die Unternehmer gibt, so missbraucht er sein Mandat. Das würde ich so in jedem Fall kommunizieren oder im Prozessfall vor Gericht so benennen. Er muss für seine Fehler einstehen.

Gruss Bauexperte

 

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