Nullenergiehaus

Urs Tischhauser

Sehr erfahrener Benutzer
27. Jan. 2014
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Hallo zusammen

Hat jemand von Euch in letzter Zeit ein Haus erstellt, welches vom öffentlichen Stromnetz unabhängig ist? Ich denke, dass die Entwicklung unserer Bauten in den kommenden Jahren in diese Richtung gehen wird und muss.

Dies kann mit dem Zusammenspiel von diversen Massnahmen betsmöglich erreicht werden:

  • Herausragende Dämmmaterialien
  • Nutzen der solaren Wärmegewinne im Winter / Vermeiden von Wärmeeintrag ins Haus im Sommer
  • Photovoltaik
  • Thermische Kollektoren
Da ich als langjähriger Minergiefachpartner ein nächstes Projekt in diese Richtung entwickeln möchte, frage ich also mal da, wer von Euch schon Erfahrungen damit gesammelt hat.

Alle Threads im Forum zu diesem - eigentlich ja aktuellen - Thema haben 10 und mehr Jahre auf dem Buckel und ich frage mich, ob es wirklich möglich ist, dass hier gar kein Wissen vorliegt? Ich denke eher, dass von Euch da einiges an Erfahrungen zusammenkommen wird! Danke für jeden Beitrag!

Herzlicher Gruss

Urs Tischhauser

 
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Hast Recht, da müsste sich doch was getan haben!
Da bin ich mal gespannt :)  

 
Ich glaube der Aufwand für ein 100 % autarkes Haus lohnt sich sowohl ökologisch als auch ökonomisch nicht.

Da müsste der Stromverbrauch im Winter schon sehr bescheiden und kein E-Auto vorhanden sein.

Ich bin an der Planung eines MFH mit 100 % Autarkie von Heizung, Warmwasser und Kühlung.
Beim Strom strebe ich auch eine hohe Autarkie an. Habe hier aber kein Ziel und lasse mich überraschen.
Solange nicht klar ist wie viele Mieter ein E-Auto haben und wie viele Kilometer sie damit zurück legen, wäre dies auch reine Spekulation.

Aber ich sehe keine Möglichkeit bei einem vertretbaren ökologischen und ökonomischen Aufwand eine 100 % Autarkie beim Strom zu erreichen.
Das müsste ja nicht für den Durchschnittswinter geplant sein, sondern müsste auch für einen ganz schlechten Winter mit wenig Sonne ausgelegt sein.

Bei vielen ökologisch vorbildlichen Häusern wurde die graue Energie vernachlässigt.

Bei der langen Planungsphase meines Projektes bin ich zu folgender Erkenntnis gekommen:

Wir versuchen mit grossem Aufwand den Energieverbrauch unserer Häuser zu
senken. Der Erfolg lässt sich sehen. Nur wird immer aufwändiger gebaut. Bei vielen
"Ökohäusern" wurde enorm viel graue Energie verbaut, dass man sich gar nicht mehr
über den tiefen Energieverbrauch für das Heizen, Lüften, Klimatisieren freuen darf.
Die Gesamtenergiebilanz ist keine Gute.


Zu meinem geplanten MFH habe ich folgende Eckpunkte:

-Hybridbau: Betonskelett aus Recyclingbeton. Nichttragende Innenwände und Aussenhülle (Dämmung Holzfaserplatten) vom Holzbauer 
-20000 Liter vakuumisolierter Saisonsolarspeicher. Kann aufgrund der Vakuumdämmung ausserhalb des Gebäudes aufgestellt werden.
-Erdregister unter der Bodenplatte
-grosser Speicher für den PV-Strom: Redox Flow und Salzbatterie
-ein versetztes Pultdach mit einem deutlich grösseren Süd- als Norddach. PV und PVT auf Süd- und Norddach und auf den Gauben.
-kein Smarthome (wäre zwar für mich als Informatiker genau mein Thema)
-kontrollierte Lüftung OHNE Wärmerückgewinnung
-Heizen und Kühlen über eine Lehmklimadecke
-grosser Regenwassertank für WC-Spülung, Balkon, Garten und Waschmaschinen

PS: Auf den Visualisierungen ist noch eine Tiefgaragenzufahrt zu sehen. Die Tiefgarage habe ich aus ökologischen Gründen gestrichen.

 

mit trackerklein.jpg

garten 02klien.jpg

 
Hallo Urs

Hab zwar nicht so gebaut, aber mich schon oft intensiv damit beschäftigt. Und möchte natürlich auch meinen Senf dazu geben

  • Herausragende Dämmmaterialien
  • Nutzen der solaren Wärmegewinne im Winter / Vermeiden von Wärmeeintrag ins Haus im Sommer
Beides zu kombinieren ist relativ schwierig. Ein sehr hoher Dämmwert durch Dämmstoffe ist im Moment leider nicht Hilfreich beim solaren Wärmegewinn im Winter. Aeorgel, und PUR sind entweder sehr teuer, oder ökologisch nicht gerade hilfreich. Von den Materialen her bleibt da ein monolitisches Mauerwerk, oder ein Standardmauerwerk mit Isohemp (Hanfbeton) o.ä. Ich bin mir auch  nicht sicher, ob eine max Dämmung (Passivhaus U-Wert 0.1) erforderlich ist. Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass ein U-Wert kleiner 0.14 einen realen Mehrwert bringt. Ich tue mich immer schwer mit Rechenmodellen, welche auf irgendwelche Daten und Annahmen beruhen, und dadurch nicht generell gültig sein können.

Der Wärmeeintrag im Sommer kann man sicher durch eine gute, automatisierte  Verschattung lösen. Das Problem, Sonneneinstrahlung/Strahlungsintensität ist relativ schwer zum Messen, bzw. teuer. Ich hab da zwar so eine Idee, die sehr kostengünstig und einfach wäre, aber konnte es noch nicht testen.

Für die energetische Versorgung habe ich mich einmal mit diesem Produkt /Idee beschäftigt. Die Idee ist sicher toll, ob es zum Durchbruch wird, hmm. Die Preise In D wären in der Schweiz, in etwa für eine hochwertige Heizung aufzubringen. (60-90000€) Zitat aus der Website:

in diesem Preis sind enthalten: Ein Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff aus Sonnenstrom, eine Brennstoffzelle zur Versorgung mit Strom in der Winterzeit, 25 kWh nutzbare Batteriekapazität zur Kurzzeit-Speicherung, mindestens 300 kWh Langzeitspeicher, Solar-Wechselrichter zum direkten Anschluss einer PV-Anlage, intelligentes Energiemanagement und App für Tablet, ein Lüftungsgerät inkl. Wärmetauscher und damit die Möglichkeit für eine kontrollierte Wohnraumlüftung, sowie ein 500 l Warmwasserspeicher

Photovoltaik:

Es wäre darauf zu achten, dass nicht nur der Peak-wert beachtet wird. Neue, moderne Module, können auch aus den Farbspektrum während der Morgen oder Abendzeit  Energie gewinnen was den Peak natürlich nicht verändert.

Bei thermischer solarer Energie, wäre es schön, wenn man den sommerlichen Überschuss speichern könnte. Bsp. Wasserdampf->Dampfmotor->Generator-> Elektrolyse->Wasserstoff.

Die einmal für den Anfang. Hätte aber noch einige andere Denkansätze.

Gruss pit

 
Ich habe zwar keine eigenen praktischen Erfahrungen bezüglich Unabhängigkeit vom Stromnetz, bin aber vor einiger Zeit auf zwei Links gestossen: (da ich annehme, dass Links nicht erwünscht sind beschreibe ich es so, dass es per Google leicht gefunden werden kann)

In Lörrach (D) gibt es seit über 30 Jahren ein Haus, das unabhängig vom Stromnetz ist.

Das Haus nutzt unter anderem die Kastenfenster (!) als Luft-Kollektoren und hat eine Art Hypokausten-Heizung (wie in der nahegelegenen Römerstadt Augusta Raurica).

Alles sehr ungewöhnlich, aber es scheint gut zu funktionieren.

Die PV Anlage deckt wohl 90 % des Bedarfs, der Rest wird mittels Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt.

Und dann gibt es in Lustenau (Österreich) auch noch das Haus 2226. Dort gibt es zwar einen Elektroanschluss (ist Bürogebäude), aber keine Heizung, aktive Lüftung oder Klimaanlage. Da der weitaus grösste Teil der Energie in unseren Breiten zum Heizen verwendet wird, macht das schon sehr viel Sinn. Wenn dann noch eine PV Anlage mit Speicher dazukäme, wäre das Gebäude Energieautark.

Beide Gebäude zeigen, dass es beim sinnvollen Umgang mit Energie mehr als nur eine richtige Antwort gibt und Low-Tech manchmal High-Tech übertrumpft.

Gruss Geezer

 
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ich finde jetzt per google gerade nichts mehr...

Aber meines Wissens wurde in Emmen im Bereich Seetalplatz/Luzern ein Gebäude der Hochschule Luzern oder einer anderen höheren Schule (evtl. Künste oder sowas) ebenfalls ohne Heizung gebaut - oder wird gebaut (und es ist/wird auch nicht an den Wärmeverbund angeschlossen).

 
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Ich frage mich ob es sinnvoll/fair ist, bei dieser Rechnung dir Elektroautos miteinzubeziehen. Wenn ein Gebäude drei Autos mit Verbrennungsmotor hat, werden diese Motoren bzw. die Autos wohl auch nicht berücksichtigt in der Rechnung. Wenn man nur eines oder alle Autos gegen Elektroautos tauscht, sollte man diese eventuell aussen vorlassen bei der Rechnung. 
 

Bezüglich Wasserstofftank, hat ein Bekannter von mir eine Offerte für chf 85k erhalten (für das ganze System); jedoch kenne ich die Kapazität nicht. 

 
Hallo ChrisL

Falls die beiden Gebäude im Internet nicht so leicht zu finden sind, hier noch einige Details:

Das Haus in Lörrach wurde vom Entwickler der Software DK-Integral (Dynamische Simulation von Gebäuden, Materialien, Oberflächen...) gebaut.

Scheinbar funktioniert die Software, denn das Haus wird von ihm seit etwa 32 Jahren

bewohnt. 

Dieses Haus nutzt gelegentlich Kraft-Wärme-Kopplung zum Zuheizen und als Stromerzeuger.

Die DIN Norm zur Berechnung der Dämmeigenschaften nimmt wohl eine rein stationäre (sich nicht ändernde) Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Aussentemperatur der Wand an.

Eine dynamische (z.B. Tag/Nacht Temperaturänderung und Insolation) Simulation erfasst die solaren Energieeinträge und Verluste (nach meinem begrenzten Verständnis der Materie) die Realität wohl genauer.

Dies könnte wohl erklären, warum der reale Heizenergiebedarf von alten Massivbauten oft geringer ist als per Norm berechnet.

Auch ein Teil des unerwarteten höheren Heizenergiebedarfs von Niedrigenergiebauten könnte wohl durch die weniger realistische stationäre Simulation erklärt werden.

Das Gebäude 2226 (Millennium Pk. 20 in 6890 Lustenau) hat seinen Namen von dem Umstand, dass ohne Heizung oder aktive Lüftung die Innentemperatur zwischen 22 und 26 Grad Celsius liegt. Der Wärmeeintrag durch Personen und Geräte ist Teil des Systems. Keine Computer Server-Farm, sondern ein Architektenbüro. 

Auch diese Firma hat umfangreiche Simulationen durchgeführt und ist bei einem Gebäude mit relativ kleinen aber hohen Fenstern, grosszügiger Geschosshöhe und sehr dicken Massiven Wänden angekommen.

Erinnert mich irgendwie an eine Jugendstil Villa bei der sämtliche stilistischen Elemente vergessen wurden...

Gruss Geezer