WDVS: Steinwolle statt EPS. Ist der Mehrpreis gerechtfertigt?

FGNY

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08. Apr. 2021
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Hallo zusammen,

Ich bin gerade in der Rohbauphase meines Hauses, welches per Baubeschrieb-Standard eine Gebäudehülle aus 15cm Backstein + 25cm WDVS (EPS/XPS) haben soll (anscheinend üblicher Standard in der Schweiz).

Es ist noch möglich statt der EPS Dämmung sich für Steinwolle zu entscheiden, der Mehrpreis beträgt 7.000 CHF  (Haus-Aussenmass ist 9,5mx9,5m, 2 volle Stockwerke plus DG mit Satteldach und 1m Kniestock. Gesamtpreis für WVDS sollte in der EPS-Ausführung 30k lauten , in der Steinwolle-Version eben 37k). 

Gemäss meiner Recherche sollte die Steinwolle-Dämmung ggü. EPS folgende Eigenschaften bieten:

Vorteile ggü EPS

  • Diffusionsoffenheit (besseres Innenraumklima, verhindert Schimmel- und Algenbildung an der Fassade)
  • Schallschutz (wg. grösserer Masse der Dämmplatten). Schallschutz wäre mir, falls Steinwolle-WDVS wirklich einen signifikanter Beitrag zum Gesamtwert neben dem Mauerwerk liefert, besonders wichtig, da das Haus direkt an der Bahnstrecke steht (Schallschutzfenster etc. sind schon einkalkuliert, aber das Mauerwerk ist halt einfaches 15cm Vertikallochstein + Betonecken).
  • Hitzeschutz (heizt sich im Sommer wegen höherer Rohdichte langsamer auf)
  • Besserer Brandschutz
  • Langlebigkeit (gemäss unterschiedlichen Quellen müsste man ein Steinwolle WDVS erst nach im Schnitt 50 Jahren erneuern, bei EPS 20 Jahre)


Nachteile ggü EPS

  • leicht schlechterer U-Wert
  • Verliert Dämmwirkung wenn die Putzschicht wasser druchlässt
  • evtl. Krebserregende wenn man direkt in die Platte reinbohrt (ein paar Löcher werde ich schon machen müssen,z.b. für Pergola Befestigung, oder ein dezentrales Lüftungssystem)


Wäre für jeden Rat und Hinweis dankbar ob die aufgeführten Eigenschaften von Steinwolle korrekt sind und ob der Mehrpreis sich in der üblichen Dimension bewegt.

 
Da dieses Thema bei den meisten EFH Naubauten auftaucht, wäre generell eine kurze unverbindliche Empfehlung eines erfahrenen Architekten wie @Urs Tischhauser sicher nicht nur für mich, sondern auch für andere Bauherren sehr wertvoll. Ich wäre dafür sehr dankbar.

Von ca. 50 Häusern deren Baubeschrieb ich angeschaut habe, sahen 48 eine Wärmedämmung mit EPS/XPS vor.

So wie ich das sehe, wäre jedes davon auch mit der Steinwolle-Option in kombinierbar,  die Frage ist nur ob die Vorteile tatsächlich mehr als nur jeweils wenige Prozent betragen oder der Mehrpreis tatsächlich gerechtfertigt ist (leider kann Internet nur absolut die Vorteile nennen, sie aber nicht quantifizieren. wenn z.B. der Schall/Hitzeschutz des Hauses durch die Steinwolle-Option 10% besser ist, wäre es sicher sinnvoll. Bei 1% wäre die Sinnhaftigkeit des Mehrpreises anzuzweifeln. Klar kann  man das nicht genau quantifizieren, aber eine grobe generelle Empfehlung ob die Vorteile von Steinwolle nicht nur mathematisch existieren, sondern auch tatsächlich spürbar sind, wäre sehr hilfreich).

 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo @FGNY

Nachdem Du mir persönlich den Ball zugespielt hast, nehme ich diesen hiermit auf.

Ich bin grundsätzlich ein Verfechter von (angepassten Vordächern an Häusern und) Steinwollenaussenwärmedämmungen. Dies insbesonders wegen der deutlich längeren Lebensdauer bei einem mineralischen Aufbau und den Vorteilen bei Brandschutz, Schallschutz und sommerlichem Wärmeschutz. Ein richtiger Aufbau besteht für mich von innen nach aussen zwingend aus Tragkonstruktion, Wärmedämmung, minerlischem Aussenputz, zweimaligem Streichen mit Mineralfarbe! Dann hast du qualitativ das Optimum bei einer verputzten Aussenwärmedämmung.

Für den winterlichen Wärmeschutz ist die (hochwertige) EPS Dämmung wegen dem etwas tieferen Lamda-Wert (ca. 3%) etwas besser. Normale EPS ist aber nicht mehr überlegen sondern schwächer, da die schweizerische Steinwolle aus Flums einiges in dieser Sparte aufgeholt hat. PS: Meist wird aber sowieso die günstige EPS 15 verwendet. Also kann man sagen, dass dieses Argument fast nicht mehr zählt. Für die EPS spricht nur, dass die Fassade mit grösserer Stärke lediglich geklebt und nicht mechanisch befestigt werden muss. Die mechanische Befestigung mit Ankern verschlechtet die Wärmedämmung der Steinwolleplatten 
Beispiele: Swisspor EPS 15 (der Klassiker) (0.038 W/m2K), Swisspor EPS 20 (0.036 W/m2K), Swisspor EPS 30 (0.033 W/m2K), Swisspor EPS 40 (0.033 W/m2K), Steinwolle Flumroc Compact Pro (0.034 W/m2K)

Für den sommerlichen Wärmeschutz ist die sogenannte Phasenverschiebung mitentscheidend. Wenn ich also eine grössere Phasenverschiebung kriege heisst dies, dass die Hitze länger benötigt bis sie ins Haus eigedrungen ist. Optimal ist es so, dass die mittägliche Hitze erst innen ankommt, wenn ich durch die Nachtauskühlung diese problemlos abtransportieren kann. Steinwolle trägt dazu bei, dass die Phasenverschiebung deutlich erhöht wird.

Beim Schallschutz ist die Steinwolle deutlich überlegen. So dürfte bei Dir die Differenz irgendwo in der Grössenordnung von 10dB liegen. Dies entspricht einer Halbierung des Lärms welcher duch die Wand kommt. Klar, das Fenster ist der Schwachpunkt. Aber gerade bei Dir als Anstösser an eine Bahnlinie ist das Material de Aussenwärmedämmung ein entscheidender Faktor, ob Du ruhig schlafen kannst oder nicht. Daher gäbe es für mich in Deiner Situation keine Diskussion. Da muss Steinwolle hin!

Der Brandschutz ist durch die Steinwolle mit einem Schmelzpunkt von über 1000°C optimal. Kein anderes Material ist daher nur annähernd gleichwertig.

Die Preisdifferenz mit > 20% scheint mir relativ gross. ich würde sagen Mehrkosten zwischen 10-15% sind eher normal. Aber möglicherweise kann er eben EPS noch ohne mechanische Befestigung kleben und Steinwolle nicht mehr. Dann ist es möglich, dass dies die Preisdifferenz so gross werden lässt.

Ich hoffe, Dir mit meiner Einschätzung geholfen zu haben.

Herzlicher Gruss, Urs

 
Reaktionen: vromi und FGNY
Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort, das hat den Ausschlag für die Entscheidung pro Steinwolle gebracht. Es war tatsächlich ursprünglich geplant die EPS Module zu kleben, d.h. der Mehrpreis wird wohl die Verdübelung in der Hauswand und die schwierigere Bearbeitung beinhalten. 

Bei all diesen Vorteilen, die damit auch in spürbarer Grössenordnung sind, scheint es in jeder Hinsicht das überlegene WDVS-Material zu sein und jedem Bauherr wäre angeraten in das Upgrade zu dem EPS-Standard zu investieren.

Nochmals Vielen Dank für die Antwort.

 
Bahnstrecke: wäre er dann mit einer hinterlüfteten Fassade nicht noch besser beraten? Wir sind damit sehr zufrieden, auch wenn es "nur" Glaswolle ist (22cm Isover PB M 035).

 
Das Optimum für den Schallschutz und Langlebigkeit wäre vermutlich eine zweischalige Wand mit 17 cm Kalksandsteinen als tragende Struktur, Dünnschichtmörtelausbau, Steinwolle-Dämmung und Verklinkerung.

Bei den Kosten wäre man dann aber nicht bei Tausenden, sondern bei Zehntausenden Mehrpreis plus Verlust der Innenfläche des durch Grenzabstände auf 9,5x9,5 limitierten Hauses.

Was war denn der ungefähre Mehrpreis für die Hinterlüftete Fassade?

Ich denke sowohl Bauherr als auch der Architekt würden am liebsten die spannendsten Ideen verwirklichen, leider zwingen die Bauvorschriften und Budgetrestriktionen einen häufig zum einfachen Standard.

Allein schon der Aufpreis für KS-Steine war total unwirtschaftlich, dabei wäre deren höhere Rohdichte mir am liebsten. Vor allem wegen der ganzen Wanddurchbrüche für Aussenzählerkasten, Entlüftungsrohr die den Rohbau schon ziemlich löchrig aussehen lassen. Bin mir aber auch nicht sicher wie Kalksandstein sich auf das Innenklima ggü einfachen Keramik-Hochlochziegeln auswirkt.