Bauland mit Architekturverpflichtung?

Guten Morgen Serge,

wenn ich jemandem etwas weiterhelfen kann, macht es mir einerseits Freude, andererseits ist es ein Lernprozess für jeden ? also für Dich und für mich ? und ist dies ausgewogen, dann haben wir doch beide unser Ziel erreicht. Interaktive projektbezogene Kommunikation finde ich grundsätzlich gut.

Dass Du Dich mit den Projektprozessen (egal in welcher Branche) intensiv auseinandersetzt und die Projekte dann kompetent führst, ist sehr lobenswert. Da hat der Architekt sicher Recht und es ist schön, dass er dies zu schätzen weiß. Diese aktive Einstellung zur Arbeit schlechthin wird Dich das ganze Leben lang begleiten und über Wasser halten ? ohne gute und gerechte Aktivität und geistige Bewegung geht bekanntlich nichts.

Nun zu den zwei Vertragsvarianten ? zuerst der GU- Vertrag:

Der GU erstellt Dir aufgrund Deiner Anfrage und Projektdefinition einen Kostenrahmen für die Gebäudekosten inklusive Anschlüsse und Umgebung, sagen wir mal für 750 000 Franken. Im GU Vertrag werden dann alle Leistungen mehr oder weniger genau definiert, dazu auch die Einrichtungsgegenstände, die mit einem gewissen Kostendach erfasst werden, wie z.B. Bodenplatten verlegt bis zu 100,- CHF / m2, Einbauküche mit allen Geräten bis zu 25 000,- CHF etc., die diesbezüglichen Mehr- oder Minderpreise werden dann separat abgerechnet. Projektänderungen werden Dir dann vom GU pauschal angeboten und erfasst ? entweder Du akzeptierst sie oder lässt es sein.

In Bezug auf den Vertrag ? Du bist der Käufer (also nicht Bauherr) und der GU ist der Unternehmer ? der GU beauftragt selber seine Handwerker (Subunternehmer) und bezahlt diese auch selber.

Vorsicht: hier im Forum wurde schon etliche male diskutiert, dass der GU seine Subunternehmer nicht bezahlt hat und die Handwerker haben dann das Handwerkerpfandrecht am Grundstück des Käufers angemeldet ? ergo musste der Käufer diverse Leistungen doppelt bezahlen, was unter Umständen liquidierende Folgen für den Käufer haben kann. Mir ist keine rechtlich wirksame Methode bekannt, wie diese Gefahr des Handwerkerpfandrechts bei GU Verträgen effizient eliminiert werden könnte. Das heißt also im Kurztext ? Du bezahlst Deinem GU die Tranchen ohne exakt zu wissen, was mit Deinem Geld weiter passiert und ob die ausführenden Handwerker auch ihr Geld bekommen.

Einzig und allein aus diesem Grund würde ich persönlich von einem GU Vertrag absehen.

Das Positive am GU Vertrag ist der fest definierte Kaufpreis des Hauses ? überstiegt man bei den Einrichtungsgegenständen den Richtpreis nicht, so wird auch der Kaufpreis nicht überschritten (außer bei extremen und unvorgesehenen Verhältnissen ? Fels etc.).

Architektenverhältnis:

Hier vergibst Du Deinem Architekten einen Auftrag für die Bearbeitung des Projektes für die 60 000 Franken. Er ist also Dein ?Beauftragter? und rechtlich gesehen Dir untergeordnet. Denn Du bezahlst ihm ja einen ?Lohn ? also Honorar?. Sämtliche Leistungen erfüllt der Architekt selbstständig nach SIA 102, 118 ? Du musst also nichts machen, keine Pläne zeichnen, nicht auf den Bau gehen, nichts einkaufen etc. ? das macht alles Dein Architekt. Die Einrichtungsgegenstände geht Ihr natürlich selber (mit dem Architekten) auslesen ? den Rest besorgt wieder der Architekt.

Bei größeren Objekten (Industrie und Verwaltung) hat der Bauherr (dort dann Investor) selber einen Stab an Bauingenieuren, die haben die Funktion der ?Projektleitung Bauherr? ? die hat zur Aufgabe, sämtliche Bedürfnisse des Bauherrn zu definieren und an die ?Projektleitung Architekt? zu übermitteln, der dann diese Bedürfnisse in die Tat umzusetzen hat. Diese Stabsstelle überwacht auch den gesamten Ablauf.

Du würdest die Funktion ?Projektleitung Bauherr? ? neben der eigentlichen Funktion als ?Investor? innehaben ? also würdest Du konkret sämtliche Deine Bedürfnisse zusammenfassen und dem Architekten vermitteln, damit er dies in die Tat umsetzen kann. In dieser Funktion prüfst Du auch kontinuierlich den gesamten Projektablauf ? Du lässt Dir sämtliche Unterlagen übergeben, die mit dem Bau auch nur annähernd etwas zu tun haben könnten und prüfst dies laufend ? schließlich handelt es sich diesbezüglich um eine Investition in der Größenordnung von einer Million Franken ? und da müssen die Zahlen auf Heller und Pfennig stimmen. Und da es Deine Investition ist, hast auch Du primär diese Gelder zu verwalten.

Die Werkverträge mit den Unternehmern (an die 25 Stück ? die erstellt der Architekt) schließt Du selber ab ? und bezahlst diese auch direkt ? nach eingehender Prüfung der Rechnungen durch die Bauleitung. Da siehst Du auch den wichtigsten Unterschied zum GU ? dort gehen die Gelder zuerst via GU, beim Architekten bezahlst Du die Handwerker direkt, ergo hast Du eine viel bessere Kontrolle, was mit Deinem Geld passiert.

Aber auch hier kann es passieren, dass der Unternehmer seinen Subunternehmer oder Lieferanten nicht bezahlt und dieser meldet dann das Handwerkerpfandrecht an ? aber meistens arbeitet der Architekt mit solchen Handwerkern zusammen, die er kennt und auf die er sich verlassen kann ? also ist dort das Handwerkerpfandrecht sehr selten und kann auch mit gezielter Bauleitung und vertraglichen Definitionen (keine Subunternehmer ? der Unternehmer hat die Leistungen selber zu erbringen, auch hat er die Belege vorzulegen, dass er seine Lieferanten bezahlt hat ? sonst gibt es keine weitere Zahlungen) so weit es geht entschärft werden.

Der Baukostenrahmen besteht beim Architekten in Form seiner SIA Schätzungen oder CRB Berechnung nach Elementen, dann wird ein detaillierter Kostenvoranschlag aufgrund den einzelnen Offerten erstellt (Genauigkeitsgrad 10%) ? hier ist also der genaue Abrechnungsbetrag etwas unsicher, grundsätzlich kommst Du aber nicht höher, als wenn der Architekt als GU fungieren würde.

Es kommt also darauf an, was Dir wichtig ist: möchtest Du an Deinem Projekt interaktiv mitwirken, ist die Variante ?Architekt? angezeigt, möchtest Du eine passivere Rolle beim Projektablauf spielen und wünschst Du einen präzisen Kostenrahmen vor Baubeginn, wählst Du die Variante GU.

Grundpfandrecht ? also das Handwerkerpfandrecht ? wurde oben sinngemäß erwähnt.

Bei weiteren Fragen oder Unklarheiten ? melde Dich einfach.

Viele Grüße, bud.

 
Hallo Budweiser

Ich schätze eine solche Pauschalaussage wie Deine grundsätzlich nicht sonderlich. Sie wäre nur dann berechtigt, wenn Du die Erfahrung von je 200-300 Offerten, jeweils mit und ohne Architekturverpflichtung, miteinbringst. Falls nicht, ist Deine Aussage entweder aus der Luft gegriffen, oder sie wiederspiegelt ein Geschäftgebahren welches villeicht Du an den Tag legen würdest, wenn Du selbst Architekt wärst.

Fakt ist: Der Architekt, welcher hier in diesem Fall Land an Queridos verkauft, hat uns

A)

Die Wahl überlassen, auf Land aus seinem Portfolio zu bauen oder, falls wir selber eine Parzelle mitbringen, auf dieser zu bauen zu exakt denselben Kosten

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Die Wahl überlassen, mit ihm als GU oder aber mit Einzel-Werkverträgen und Ihm als Architelt und Bauleiter zu arbeiten

C)

gegenüber der SIA 102 / 2003 Norm (nachrechenbar mit jedem entsprechenden Link im WWW) 25% Nachlass gegeben

D)

Keine Mehrkosten verrechnet: Nachträglich haben wir aus eigenem Antrieb rund 150'000 CHF mehr investiert als budgetiert (Budget war massgebend für die Berechnung des Architetenhonorar). Owohl er auch diese Mehrinvestitionen (KNX, Multiroom, Küche, Sanitär) begleitet, geplant und überwacht hat, haben wir hierfür keinen Rappen mehr bezahlen müssen.

E)

überrascht, da er sich auch eigenem Antrieb mit einem beachtlichen Teil an den Mehrkosten beteiligt welche entstanden sind, da der Schluffi von Baumeister :mad:eine höhere Nachkalkulation als budgetiert eingereicht hat (Betonwand statt Mauerwerk etc)

Du siehst, es gibt auch weisse Schafe unter den schwarzen...

Das mit den Architektenverpflichtungen auf den Grundstücken ist schon so eine elende Sache.

Die Architekten (die sich dann im Verlauf der Projektierung vielfach zu GUs umwandeln) kaufen die Grundstücke zur Auftragsbeschaffung ein, wobei sie dann je nach Auftragsstand diesen oder jenen „Plätz“ verkaufen – in der Regel sind dann die m2 Preise in etwa gleich, aber beim Honorar wird dann kräftig zugeschlagen. Da kennen sie kein Pardon. Die SIA 102 / 2003 kommt für sie einem Evangelium gleich und Rabatt = 0.

Es handelt sich so ein bisschen um einen „Hamstereffekt“, dem fast jeder Architekt zwangsläufig ausgesetzt ist.
 
Hoi Adriano,

dass Dir Pauschalaussagen nicht besonders gefallen, kann ich mir vorstellen. Aber vielleicht liegt die Pauschalität meiner Beiträge schon im Naturell der Fragen selber – die Antworten müssen ja zwangsläufig grundsätzlicher, genereller Art sein, man kann ja kaum alle Ausnahmen und Spezialitäten und positive oder negative Möglichkeiten in den Berichten erfassen – da wäre man ja immer noch am schreiben. Und ich nehme an, dass alle intelligent genug sind, sämtliche Beiträge in einem gewissen „allgemeinen“ Sinn zu verstehen. Oder nimmst Du an, dass aufgrund einer Frage wie zum Beispiel „Soll ich mit GU oder Architekt bauen“ eine definitive, allgemein gültige Formel im antwortenden Beitrag aufgestellt werden kann? Wohl kaum! Wie soll man die sämtlichen besonderen und spezifischen Gegebenheiten eines jeden kennen?

Damit wären also Deine weißen und schwarzen Schafe erledigt. Es liegt ja auf der Hand, dass es anständige und unanständige Architekten und GUs gibt. Aber ich dachte, dass sei allen klar und ich müsse es nicht in jedem Bericht besonders erwähnen.

Und dass eine Architektenverpflichtung auf einem Grundstück den Bauherrn in einem gewissen Sinn einschränkt ist ja mehr als logisch. Oder ist es keine Einschränkung, wenn man auf einem bestimmten Grundstück mit Architekt X zum Betrag Y bauen muss?

Und wozu kaufen denn die Architekten und GUs die Grundstücke - wohl aus Spass, um sie den Bauherren / Käufern zum Selbstkostenpreis abzugeben und beim Honorar Rabatt zu gewähren (ich meine: generell)? Das kann ja nicht Dein Ernst sein!

Was Du mit den 200 – 300 Offerten konkret meinst entzieht sich meiner Kenntnis – die Unsinnigkeit und Unmöglichkeit solcher Aktionen kann vielleicht auf Deinen Unmut während des Schreibens oder auf die vorgerückte Stunde Deines Beitrages zurückgeführt werden.

Welche meine Aussagen „aus der Luft gegriffen“ sind oder sein könnten möchtest Du mir doch bitte konkreter beschreiben, und wenn Du schon dabei bist, kannst Du mir ja erklären, welches Geschäftsgebahren ich an den Tag legen würde – wenn ich Architekt wäre. Da bin ich aber gespannt.

Zu guter letzt also noch kurz etwas Konstruktives – es ist ja schön, dass Du oder Ihr einen so guten und zuvorkommenden Architekten gefunden habt, der sich Euch gegenüber fair verhält. Dann arbeitet doch mit ihm zusammen, damit das Werk gelingt, und trägt mit Euren Erfahrungen und Erlebnissen in diesem Forum KONSTRUKTIV bei, damit der Sinn dieses Forums auch erhalten bleibt.

Viele Grüße, bud.

 
@Budweiser

Hallo bud. Vielen Dank für Deine wertvollen Infos. Diese stimmen zu 100% überein mit den Infos "meines" Architekten. Ich werde die Version "Arch" nochmals genauer mit ihm anschauen. Dieses Gespräch werde ich - dank Deinem Input - in gestärkter Form (in Bezug auf das Wissen) angehen... Er ist ja ein guter Typ.

Grüsse aus Genf, (Autosalon Genf, Erdgas-Stand)

Serge-CH

 

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